1753-04-18, de Louise Adelgunde Gottsched à Dorothee Henriette von Runckel.

…Lesen sie doch, ich bitte Sie darum, die neue Schrift des Hrn. v. V. die in der Waltherischen Buchhandlung in Dresden zu haben ist.
Sie heisst: Suplement au siecle de Louis XIV. Sie ist voller Bitterkeit wider den Beaumelle und alle seine Feinde; aber stets in ihrer Art lesenswerth. Alles is zu seiner Abreise von hier veranstaltet, ich habe ihn noch nicht gesehen, und das geht so zu: er hat bisher noch immer den Kranken vorgestellt, und ich eine Person die eigensinnig genug ist, diesen Kranken, in seinem Quartiere nicht zu besuchen. Sein Secretär vertrat also die Stelle eines Gesandten. Er bekam allemal ebensoviel Klagen über den Unstern, dass ein paar so ausserordentliche Leute einander nicht kennen sollten (dieses war sein Ausdruck), mit zurücke, als er mir überbracht hatte. Endlich bestimmte ich diesen eingebildeten Kranken den Tag, wenn ich wollte gesehen sein, und ihn bei mir sehen.

Lachen Sie nicht über diesen verwegenen Ausdruck! Ich musste bei dieser Gelegenheit die Ehre der Deutschen behaupten, denen die Franzosen alle Kraft zu denken absprechen, und ich wollte den Stolz eines V. nicht vermehren. Eine Ausgesuchte Gesellschaft sollte diesen Tag bei uns speisen, und Hr. v. V. sollte die grösseste Zierde meines Tisches sein. Er hatte es auch versprochen, und ich hatte mich gefasst gemacht, ihn mit französischer Höflichkeit zu empfangen. Wer aber aussenblieb, war der Hr. v. V. und wer über diesen Eigensinn böse ward, bin ich. Nunmehr setzte ich mir vor, mich nicht sehen zu lassen, er möchte kommen, wenn er wollte. Dieses habe ich gehalten, und bei seinem abschiede, den er in aller Form genommen hat, bin ich nicht zum Vorschein gekommen. So bin ich denn wie viele Adamskinder Schuld an meinem Verlust, einen V. nicht gesehen zu haben. Er ist gleichwohl noch hier. Seine Staatskrankheit überfallt ihn sehr oft, und wenn diese morgen vorbei ist, so sehen wir uns am dritten Orte, wie die streitigen Gesandten, nämlich in Meuselwitz, wo wir acht Tage zubringen und übermorgen dahin abgehen werden….

Gottsched