1753-06-23, de Graf Franz von Freytag à Michael Gabriel von Fredersdorff.

Hochwohlgebohrner Herr

hochgeEhrtester herr geheimder Cämmerer

Ew: Hochwlg. venerirliche vom 11ten und 16ten dieses sind richtig eingegangen; in dem ersteren ware di gesinung wie angefangen also fort zu fahren in dem letzteren aber, dass ich den v. Voltaire unter gewissen bedingungen eines reverses in Höflichkeit erlassen solte; welches wir auch gar zu gerne exequiret hätten; um von dieser ubergrosen last welche uns dieser mann machet loss zu seÿn allein da Er aus nichts würdigen erfundenen unnd falsch erdachten ursachen, seiner gegebene parole zu widder; sich mit seinen besten sachen, den tag vor ankunft Ew Hochwohlg letzterem, vor welchem schreiben er sich gefürchtet; fluchtig[en] fus gesetzet; so hat die sache dadurch eine gantz andere façe bekomen.

Es ware gegen 3 uhr nachmittag mitwoch den 20ten dieses, da mir dem kriegesrath der im löwen, als dem quartier des v. Voltaire von mir bestelte Spion in vollem athem die nachricht überbrachte der Voltaire seÿe Echappiret. Zu allem unglück, war weder mein Secretaire, noch ein bedienter im hause; ich bediente mich in dieser noth der gantzen nachbarschaft; schickte p posto nach denen 3 haubtstrassen Hanau Friedberg unnd Maÿntz bothen aus, warfe mich eilendt in die kleidung, unnd liefe wie ein laufer, an den löwen; alwo ich Erfuhre, dass der v Voltaire in einem schwartzen Sameten kleÿdt nach dem gasthofe zur reichscrone gegangen; unnd alda eine retour chaise auf Maÿntz arretiret sich auch würckl. embarquiret hätte; der Churtrirische kantzlar zu Worms baron Munch, ware so freunschaftl mir seinen vor dem lowen stehenden Staatswagen mit 6 Fenstern zu meinem behuf in hoc flagranti vor zu lehnen. Ich schckte einen läufer zum voraus nach dem thor wo man auf Maÿntz fähret, den v Voltaire bis zu meiner ankunft anzuhalten; fuhre aber erst zu meinem assisten H. hofrath Schmitt, den ich zu noch grösserem unglück, auch nicht zu hause antrafe, sondern Er ware 1/2 stunde von der statt in seinem, maison de campagne. Einer seiner handlung bedienten gallopirte in 10 minuthen hinaus worauf Er sich so gleich in allergeschwinndigkeit zu dem regierender burgermstr begabe; unnd von dessen verrichtungen ich unten weit läuftiger seÿn werde.

Ich der krieges, trafe den Voltaire, mit seinem Italiänischen Secretaire, in einer 3 heller chaise just unter dem schlagbaume an; Er hatte unterwegs in der statt Eine schreibtafel verlohren. Da hat Er sich etwan 4 minuten auf gehalten solche zu suchen sonsten hatte Ihn inn fforther territorio nicht mehr angetrofen. Der unter officer hatte so viel respect vor einem koniglichen ministre Ihn den Voltaire so gleich zu arrestiren; unnd hier habe ich erst gesehen was dieses vor 2 leuthe sinndt; die ärgsten banditten, hätten nicht solche mouvements machen könen, um alda loss zu komen; Er sagte mir unter andern ins gesicht, ich hätte Ihm 1000 K abfordern lassen, mit dem versprechen Ihn loss zu lassen; Er läugnete mir alles was Er versprochen hatte; ja Er sagte gar, das Er niemahlen in meinem haus gewesen were; unnd der junge Secretaire der sonst viel Esprit zu haben scheinet; bekraftigte alles dieses mit solcher effronterie die mir in der welt noch nicht vorgekomen ist.

Unterdesen muste ich Ihn dem schicksahl bey Einem unterofficier mit 6 mann überlassen; unnd ich eilte auf die haubtwache unnd von da, zu dem burgrmstr.

Ehe ich weiter fortfahre so muss Ew hochwlg ich noch von einem vorgang informiren, worauf alle voltairische grimacen gegründet waren, als ich den 1ten Junÿ mit Ihme die erste operation vornahme. Also Er sub juramento versprache bis zu anlangung königl allergnadigster ordre, gestalten der gefundenen königl pappieren so wenig waren; hingegen in dem königl allergnadgsten handschreiben, von vielen handschreiben unnd Scripturen erwehnung gethan worden, und aller ballots, im haus arrest zu verbleiben; so ware ich von 9 morgens bis 5 abendts ohne Einen bisen zu mir zu nehmen solcher gestalt fatiguiret, dass ich zu letzt halbst krank unnd kraftlos groses mitleiden mit Ihme hatte, alle seine contorsiones und tartufterien vor wahr, unnd Ihn in der that vor einen honethome hielte; ich achtete dahero nicht viel auf seinen revers unnd glaubte seinen worten, zu mahlen ich 2 zeugen bey mir hatte; da nun die untersuchung zu Ende war unnd ich Ihn getröstet unnd verlassen wolte, so bathe Er sich noch eine gnade aus; nemlich ich mögte Ihm in form eines billets pro forma zu schreiben, dass wen das ballot mit dem buch anlangte, Er hinreissen könte wo Er wolte um solches seiner niece seiner Einzigen Erbin nacher Strassburg zu Ihrer Consolation zu semden; welche sonsten wen sie von diesem vorgang nachricht erhalten; solte gewiss todes verfahren oder in eine schwehre krankheit verfallen würde; ich ware so barmherzig, umd gabe Ihme beÿ gehendes original billet sub A; welches Er mir beÿ der lezten arrestirung, unter 1000 lugen umd vorwandt dass es verlohren seÿe bon gre mal gré restituiren muste; dieses thate Ich um Ihn beÿ gutem zu erhalten und zu keiner publiquen arrestirung zu schreiten. Glaubte auch nicht dass dieses ballot von Hamburg eher als die konigl allerg resolution ankomen würde; dieser ballot kame widder vermuthen montags den 18ten schon bey mir an, welches Er Voltaire in dem moment erfuhre; unnd in einer stunde zu unterschiedene mahlen solches zu eröfnen, seinen Secretaire fast mit importunite zu mir schickte; ich verwiese Ihn zur gedult; gestalten, den montag die berliner brief ankomen. Gegen 11 uhr erhielte Ew Hochwlg hochhaltendes vom 11ten dieses worauf ich Ihme angeschlossenes billet sub B Ihn zu adouciren unnd bis den donnerstag zu warthen zu schickte; Er ware damit nicht zu frieden; sondern ginge den nemlichen tag noch auss den dingstag vormittage thate Er dergleichen unnd mein Spion rapportirte mir dass Er seine grose chatoulle in dess herzogs von Meningen quartier bringen lassen; Ich ignorirte diese demarchen unnd liese Ihn wissen das ich andere messures ergreifen würde, da brache Er Endlich herauss, unnd beriefe sich Ehrvergessener weisse auf das Ihme pro forma gegebe oben allgirte billet; unnd verfügte sich dingstags zu herrn hofrath Schmitt; deme Er die nemliche declaration thate. Da Er doch aber den ballot so ich im hausse hatte, gerne eröfnet; unnd biss auf das buch aussgeliefert haben wolte auch noch nicht gewis wuste ob das buch in dem ballot ware; so kame Er in gesellschaft besagten herrn hofraths der Ihme zu vor theuer angeloben muste, dass ich Ihn nicht arrestiren würde unnd dess Secretairs zu mir in mein haus excusirte sich dass Er were aussgangen unnd wolte dass ich den ballot erofnen solte; ich solte Ihm nur seine oevres heraussgeben; dabey machte Er widder den malade, noch stärker als der Moliere; unnd schnitte solche grimacen dass herr hofrath Schmitt selbsten der meinung ware ich solte das ballot eröfnen; ich hingegen wolte Ihn in meinem Haus in arrest behalten; biss die k. ordre den donnerstag ein laufen würde, Er hatte bis dahin meinen Secretaire noch nicht gesichte bekomen, unnd als Er diesen in der antichambre mit einem grünen kleÿdt erblickte so merkte ich an dem Voltaire dass Er Ihn: vor einen archer ansahe; Er zoge gantz andere seÿthen auf, bekennete nebst seinem Secretaire; dass das billet pro forma gegeben worden man solte doch alles seiner schwachheit zu schreiben, er wuste nicht was er thäte versprache sous Serment mit einem handschlag, dass Er in seinem conventionalen haus arrest bis den donnerstag verbleiben wolte; worauf man Ihn widder in sein quartier fahren liesse; diesen abermahligen theuer Eÿdt, hat Er wie Eingangs gemeldet mitwochs gebrochen, und unterm praetext des pro forma gegeben billets flüchtigen Fuss gesetzet.

Nun wende mich widder zu dem burgermstr, dieser machte mir anfangs viele dificultaeten theils weil ich keine königl. requisition hatte; theils weil der Voltaire in k. franz: diensten stünde; doch meine presence, unnd das sub C angebogene gemeinschaftl. requisitions schreiben welches aber erst, des andern morgens expediren unnd von uns beÿden unterschrieben worden, machte; dass aller von Ihm Voltaire gemachten Caballen ohngeachtet; die arrestirung von dem burgermstr beliebet auch die auslieferung gegen die gewöhnliche reversales versprochen worden; unnd diese des burgmstr provisional verordnung, wurde donnerstags fru, durch einen rathschlus in pleno confirmiret unnd durch einen statt secretaire mit der versicherung der un veranderlichen allerunterthanigsten devotion vor S. k. M. mir intimiret.

Wen Er hochwlgb alle menées die doch in der that remarquables sinnd so der Voltaire bey der arrestirung gespiehlet melden solte, so müste noch ettl bogen haben; das mus ich doch noch melden nachdeme ich mit der burgermstrl ordre an thor beÿ dem angehaltenen Voltaire ankame; so vernahme von dem unter officier, dass Er eine parthie Scripturen zerrissen hatte.

Ich oferirte Ihm Ihn in mein haus zu nehmen unnd den privat arrest biss morgen zu continuiren; Er sezte sich auch in meinen 6 glässerigen staats wagen; mit dem ich Imer hinund her gerennet, unnd uberlieferte mir alle seine reichthumer wie Er sagte; es ware in der that eine kleine chatoulle dabeÿ, welche mein kerl kaum heben konte; doch wie wir abfahren wolten so declarirte Er Er wolte lieber in ofenem arrest als in mein haus seÿn; ich liese also etl mann mit dem wagen gehen unnd fuhre als ein mit arrestmt quasi in einem ofenen wagen durch die statt; da den der zu lauf ungemein gros wurde desen voriger wirth im löwen wolte Ihn wegen seiner unglaublichen kargheit nicht widder ins haus haben; Ich sezte Ihn also beÿ herrn hofrath Schmitt ab; weilen ich ohne desen guten rath unnd vorwissen wegen der art unnd weise des weitern arrest nichts vornehmen wolte. Besagter herr hofrath aber hatte sich bey seiner ankunft in der statt so gleich bey den burgermstr verfüget, unnd Ihn nicht allein in gutem willen zu erhalten; sondern Ihn auch ratione der konigl requisition seiner caution zu versichern; Er trafe alda die voltairische so genandte niecce an; die ich aber vor ein ander personage halte; den gestern kame Ein brief an sie mit der addresse Mad: de Voltaire weil dan dieses freche weibs mensch in der statt herum liefe, die raths herrn Irre zu mache, so liese der bürg. Ihr nebst dem secretaire auch arrest geben; unnd da der Voltaire, in der Schmittischen behaussung zum andermal Echappiren wolte; so liese man Ihn das gasthaus zum Bokhorn bringen, unnd gabe jedem arrestanten eine schildwache zu; die wir aber auf anlangung Ew hochwlg lezterem bis auf 2 mann zuruk gezogen haben.

Bey gepacktes sub D. hat der Voltaire den 2ten tag in seinem haus arrest abtrucken lasen. Unnd Er hat schon widder was unter der prese; Er wird ums gewis keinen heller Ehre übrig lassen; und über Ew hwgl ist Er auch sehr un gnadig wegen dess recomandations schreiben unter desen ist uns eine formelle königl requisition, die wir in unserem pro memoria sub C versprochen; unnd wen Er etwan zuruck gebracht werden solte reversales höchst nöthig; wen Er aber dimittiret werden solte; Eine königl ostensible ordre; In gnaden zu erlassen; mit allergnadigster approbations, unsere[n] in dieser sache bis daher gethanes betragens.

Solten Ew hochwlg diese affaire nicht gerne unter die lateiner komen lassen wollen, so senden mir nur eine carta bianca, mit k. allerhöchster unterschrift; eben mit der anschrift Requisition an den magistrat zu Frankfurth, den v Voltaire betrefendt; so wollen wir sie schon nach ordre ausfüllen.

Hätte dieser man, den einen tag abgewarthet, so hätten wir Ihn erlassen könen; Jezo aber musen wir die requisition umd weitere allerg. k. verfügungen aller devotest erwarthen schlusel, creutz unnd buch senden wir mit dem postwagen.

Die wir in wahrer hochachtung allstets beharren.