Nachdem von E. HochEdlen u. Hochweisen Magistrat Mir Endes Unterzeichneten grg. aufgetragen worden Mich zu dem im Bockshorn arrestirten Mr. de Voltaire, dessen Niece Madame Denis, u. Secretaire Colini zu verfügen u. in Specie von beÿden letztern zu vernehmen, ob
1) bereits am 17ten curr. Mr. de Voltaire die Königl. Poësies dem H. von Freytag überliefert.
2) Ob nicht bereits am donnerstag durch den Adjutanten beeden letzteren bedeutet worden, dass Sie freÿ? u. ob dieselbe dato noch als Gefangene tractirt würden?
3) Ob sie Ihre Coffre u. darinnen befindliche Effecten wiederbekommen?
4) Ob Ihnen gesagt worden, dass ihr täglicher Unterhalt 128 Th. 42 Kr. koste?
5) Ob es an dem, dass man Ihm oder Ihnen etwas zu unterschreiben vorgelegt, worinnen man verlangt, dass Er sich anheischig machen solle, gegen niemand zu gedencken, wie man dahier mit Ihm verfahren?
So habe Mich, dem zu gehorsamster Folge, ohngesäumt ins Bockshorn verfügt u. Madame Denis kranck im Bette, den Mr. de Voltaire aber in dem offen gestandenen Nebenzimer, nebst dem von Freytagl. Secr. Dorn angetroffen, wie Er dann sogl. darauf diesen abgefertigt, u. zu Mir in der Madame Denis Zimer gekommen, auch den sogenannten Secretaire Coliny nebst einem jungen Purschen Nahmens Lorrain hineinberuffen. Nach Eröffnung der Mir aufgetragenen Comission wurde Mir zur Antwort ertheilt.
Quoad 1) von allen dreÿen Ja!
Quoad 2) von Mr. de Voltaire:Es seÿe Ihm nichts gesagt worden, u. Er biss dato noch als ein Gefangener tractirt, dürfe auch nicht vor die Thüre gehen.
Von Madame Denis:Weder der Adjutant noch sonsten ein Mensch habe Ihr ein Wort von Ihrer Befreÿung gesagt; Sie seÿe kranck, u. werde dem ohngeachtet imer noch als eine gefangene tractirt. Der Dorn habe Ihr gesagt, dass Sie um deswillen arrestirt worden, weilen Sie beÿ dem Hn BMstr von Fichard gewesen, welcher Sie doch gar höflich angehört. Noch gestern habe Ihr H. von Freytag durch einen Laquayen sagen lassen, dass wann Sie der Frau von Freytag aufwarten oder nach ihrer Expression ses devoirs abstatten wollte, ihr solches erlaubt seÿn sollte, weiter aber dürfe Sie nicht vor die Thüre, indem Sie sonst zu Hn BMstr von Fichard gehen mögte, welches letztere der Lorrain bekräftigt.
Von dem Secretaire Coliny:Der Adjutant habe Ihm, sowenig als der Madame Denis ein Wort von Ihrer Befreÿung gesagt, sondern Sie würden noch imer als Gefangene tractirt, ja, als der Wirth Macrandes Ihm auf Ersuchen gestattet unten in der ordentln Gestube zu speisen, habe der Dorn noch am abgewichenen Samstag solches verboten, u. den Wirth deswegen reprimendirt, weswegen Er seit dieser Zeit auf seiner Stube allein speisen müssen, wie der Wirth u. Wirthin attestiren würden, welche beÿde letztgemeldete Mir auch beÿm Weggehen auf befragen die Wahrheit dieses Vorgebens bekräfftiget.
Quoad 3tinen) Mr. de Voltaire:Ja! ihre Coffres wären restituirt, aber noch nicht eröffnet u. nachgesehen, mithin könne Er nicht wissen, ob alles noch darinnen. Die 2. in dem unten mit mehrerem allegirten proMemoria bemeldete paquete aber seÿen Ihme noch nicht wieder zurückgeliefert worden. Mit dieser Antwort conformirten sich die andere beede.
Quoad 4tem) Sagten alle dreÿ unanimiter quod sic. Mr. de Voltaire gabe die mehrere Auskunfft deswegen folgendermassen: Es habe H. von Freytag von Ihm einen Aufsatz, wie ein Revers, vovon Er das Formular in schlecht Französich selbst aufgesetzt verlangt, worinnen auch diese Summe exprimirt gewesen, wie solches Madame Denis, der junge Lorrain, u. der Dorn zugehört; Nachdem nun Colini darauf, den Mir mitgegebenen Aufsatz (wovon ich aber das original zurück zu liefern versprechen müssen) ins reine gebracht, so seÿe, nach dieses letztern Aussage, der H. Hofrath Schmidt, (welcher beÿ der ersten proposition nicht gewesen) gekomen u. habe eigenhändig die Worte: qu'on a évaluez à la Somme de 128 R. 42 Creutzers ausgestrichen.
Quoad 5tem) Sagten alle dreÿ: Ja! Mr. de Voltaire fügte hinzu, weilen der Aufsatz deutsch gewesen, habe Ihn der junge Lorrain ins Französische übersetzen müssen, welche Übersetzung samt den daran gemachten Correctionen Er Mir auch gezeigt, u. worinnen expresse gemeldet, dass Er verspreche 'niemand zu sagen oder zu schreiben, was man dahier mit Ihme vorgenomen' wie dann auch der junge Lorrain bekräftigt, dass in dem deutschen Aufsatz dieses gestandten.
Ausser diesem vorstehenden behändigte Mir Mr. de Voltaire das hiemit angebogene so betitulte Pro Memoria Secret cum Adjto bezoge sich mit wehmüthigen Ausdrückungen auf dessen Inhalt, u. bate Mich E. HochEdlen Rath für Ihn gehorsamst zu ersuchen, Ihm gegen Ablegung seiner parole d'honneur zu erlauben in das Gärtgen im guldenen Löwen zur Erhohlung seiner Gesundheit gehen zu dörfen, da Er sonsten nicht von hier weichen wolle. Zuletzt zeigte Er Mir ferner an, dass Er gestern, dem H. v. Freÿtag u. H. Hofrath Schmidt das mir ebenfalls zugestellte: Scriptum oder Revers (wovon ich gleiche als das original wird liefern solte), zu schicken wollen, weilen aber die darinnen enclavirte 2 Zeilen befindlich gewesen, diese solches nicht angenommen, sondern Ihm zurückgeschickt, u. seÿe inzwischen alles in statu quo verblieben. Überhaupt haben sich sämtliche Interrogati in denen lamentablesten dochsowohl gegen seine Königl. Maj. in Preussen als auch E. HochEdl. Rath auch des Ältern Hn BMstrs Hochadel. Gestrg. sehr respectuosen Ausdrückungen erklärt. Beÿn Weggehen u. als ich den Wirth u. Wirthin wegen des ad N. 2. gemeldeten befragt, war der Dorn annoch unten in der Stube, welcher vermuthlich auf mein Weggehen Acht gegeben.
Alles Vorstehende von Mir wohl in Obacht genommene u. fideliter aufertirte habe pflichtmässig hiemit gehorsamst zu referiren ohnermangeln sollen.
Franckfurth d. 26. Junii 1753.
Joh: Jac: Difenbach
Actuarius beÿ löbl. Älteren
Burgermeisterl. Audientz.
P. N. Beÿm Weggehen habe ich obhabender Ordre gemäss sowohl der Madame Denis als dem Secretaire Colini ihre völlige Freÿheit u. dass Sie hingehen könnten, wohin Ihnen beliebte, declarirt, welches Sie höchst erfreut u. dancknehmigst angenommen.
J. J. Difenbach