Dat. den 5. Julii, 1753.
Allerdurchleuchtigster und Grosmächtigster König, Allergnädigster König und Herr,
Ew. Königl. Maÿ. wollen allergnädigst erlauben, sich hiemit alleruntertänigst vortragen zu lassen, dass dero hiesige zween Königle respvè Kriegsund Domainen- auch HofRäthe, von Freÿtag und Schmid, am 20. Junÿ h. a. in einem pro memoria schriftlich angezeigt, was masen Sie durch 2.
Königle, unsermälteren BurgerMeister vorgewiesene Schreiben gemessenst befehliget worden, dem seit 5. Wochen sich hier aufhaltenden von Voltaire den hohen orden pour le Merite und den Camer-Herrn-Schlüssel, nebst allen Königlichen Hand-Schreiben und Scripturen, vornemlich auch eing gewisses Buch, Oeuvres des Poësies genamt, in der Güte abzunehmen, und wam diese nicht verfangen wolte, Ihn mit Arrest zu bedrohen, im Widersetzungs-Fall aber Ihn würcklich arrestiren zu lassen.
Bei Exequirung höchstbesr Königln Odre hätte der von Voltaire bald die Güte statt finden lassen, bald sich widersetzet, bis man endlich convenirt, dass die wenige vorgefundene Briefschaften nach Hoff gesandt, die Königle allergnädigste Resolution abgewartet, die Ballots, worin etwan die noch fehlende Briefschaften und besonders das oberwehnte Buch, Oeuvres des Poësies, sich befinden könten, hieher committirt werden und Er, von Voltaire, bis dahin im Conventional-Arrest in seinem Zimmer verbleiben solte.
Nachdem Er aber, mit Brechung seiner Parole, dieses nicht abgewartet, sondern sich auf flüchtigen Fuss gesetzet, durch gute Praecaution aber unter dem Bockenheimer tohr ad interim angehalten worden; so wolten Sie durch diese eilfertige Requisition unsern ältern BurgerMeister ersucht haben, den flüchtig gewordenen von Voltaire nunmehro würcklich arrestiren und im Gasthaus zum Bockshorn, bis zu Anlangung der weiteren Königln allergnädigsten Verfügung, welche vermuhtlich morgen einlangen würde, wol verwahrter aufbehalten zu lassen. Am Ende haben Sie noch angefüget, dass beede unterzeichnete das Ihrige, quantum satis, so wol wegen aller Unkosten, als was auch sonst occasione dieser Arrestirung entstehen mögte, zur wahren Sicherheit solchergestalt einsetzten, dass Sie die Königle requisitoriales, und wam es nötig, respvè reversales ohnfehlbar einreichen würden.
Wie nun der ältere BurgerMeister darin ohnverzüglich willfahrt u. des andern tags diesen Vorgang in unserer Raths- Versamlung vorgebracht, auser deme aber der weitere Bericht eingelauffen, dass die Voltairische Niece, Namens Denis, und der Secretarius Coliny bei der Gelegenheit mit arrestirt worden, solches aber den RathSchluss veranlasset, dass man zwar die Sache in statu quo lassen, jedoch denen beeden Königln Räthen zu vernehmen geben solle, dass ihre Requisition auch auf die beede andere mit arrestirte Personen und auf den mit in Beschlag genomenen Coffre mit gerichtet werden möge, also hat der Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag unserm Zeugschreiber, welcher eadem die, nemlich den 21. Junÿ h. a. davon die Ausrichtung getahn, geantwortet, dass Er, um weiterer Requisition über die anverlangte Puncten überhoben zu seÿn, geschehen lassen könte, dass
1.) die Wacht bis auf einen Mann, so vor dem Zimmer auf den de Voltaire obacht halte, abgienge, desen Niece und Secretaire aber weiter nicht bewachet werden mögten,
2.) wolte Er den Coffre, worin vermeintlich Geld seÿn solte, noch selbigen NachMittag dem de Voltaire zurücksenden und nur die darin befindliche Scripturen in Verwahrung nehmen, auch
3.) weiters die Versicherung gegeben haben, mit dem de Voltaire und desen übrigen Effecten, ohne von Ew. Königl. Maÿ. uns zuforderst die behörige requisitoriales und respvè reversales zu übergeben, und wann allenfals die Auslifferung des von Voltaire begehrt werden solte, keine Veränderung vorzunehmen, sondern alles in statu quo zu lassen, indem es nur auf ein gewisses rares Buch, Poësies enthaltend, ankäme, welches der von Voltaire, der Königln Ordre ohnerachtet, noch nicht herausgegeben. Er, von Freÿtag, wäre weit entfernet, durch den in dieser Sache bisher beschehenen Vorgang uns den mindesten Eintrag in unserer Jurisdiction zu tuhn, zumalen Er, nebst dem Hofrath Schmidt, unserm ältern BurgerMeister dieses angezeigt und um obrigkeitle Hülfe nachgesucht hätte. Welches alles der Hofrath Schmidt, als unser Zeugschreiber sich auch bei Ihm gemeldet, sich in so weit gefallen lassen, mit dem Zusatz, dass Er so gleich zu dem Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag gehen, sich mit diesem besprechen und nötig befindenden Falls unserm ältern BurgerMeister behörige Nachricht geben wolte.
Obiger Erklärung ohngeachtet, ist die schon den 21. Junii resolvirte Freÿlassung der Voltairischen Niece und des Secretarii noch bis den 26. ejusd. da man Ihnen solche aufs neue noteificiren lassen, unterblieben, und dem sub Lit. A. beiliegenden von Voltairischen pro memoria wird über den von Freÿtagischen Secretarium Dorn geklagt, dass Selbiger die Denis, eine adeliche Officiers-Wittib, welche mit einem Königln Frantzösischen Pass hieher gereisset, um mit Ihme, de Voltaire, als Ihrem Oncle, in ein Bad zu gehen, mit Gewalt aus dem Gasthaus zum guldenen Löwen durch das Volck nach dem Bocks-horn geführt, ihre Camerfrau weggeschaft, 4. Mann vor die Tühr gestelt und allein die gantze Nacht sich in ihrem Zimmer aufgehalten habe, worüber seine Niece gefährlich kranck worden, und als Sie nach der Ursache einer so grosen Gewalttähtigkeit gefragt, habe der Secretarius Dorn geantwortet, weil Sie bei dem BurgerMeister für den de Voltaire gesprochen. In nechst berührtem pro memoria wird ferner erzehlet, dass Er, de Voltaire, 3. Stunde zuvor bei dem Hofrath Schmidt arrestirt worden, welcher Ihm seine Säcke ausleeren und ohngefehr 80. Louis d'or und ein Kästgen mit Kostbaren Effecten ohne eintzige Formalität wegnehmen, auch 4. Soldaten mit einem UnterOfficier vor seine- und eben so viele Soldaten vor des Secretarii tühr legen lassen. Den 31. May wäre Er, von Voltaire, hieher- und der Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag den 1. Junÿ des Morgens zu Ihm gekommen, der im Namen Ew. Königl. Maÿ alle Brieffe, so Er, de Voltaire, von Ew. Königl Maÿ haben mögte, insonderheit ein Buch mit Poësien abgefordert, welches Ew. Königl Maÿ Ihm geschencket gehabt. Er hätte alsbald seine Coffres geöffnet, alle Briefschaften vorgezeigt und alle dabei gewesene Königle Brieffe dem Kriegs-Rath von Freÿtag behändiget. Wegen der Poësien hätte Er zugleich um deren Einsendung geschrieben und bis zur Retour dieses Ballots sich als einen Gefangenen schriftlich constituirt. Er hätte auch dem Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag noch 2. versiegelte Paquets Briefschaften zur mehrern Sicherheit überliffert und dagegen von diesem in 2. Billets vom 1. Junÿ die Versicherung erhalten, dass nach Eintreffung des Ballots mit denen Poësien, Er, de Voltaire, wohin Er wolte, abreissen könte, und Ihme die versiegelte 2. Pack Brieffe wieder gegeben werden solten. Den 17. Junÿ wäre der grose Ballot mit dem quaestionirten Buch eingelanget und nachdem Er durch desen Auslifferung alle seine Engagemens erfüllet, Er, de Voltaire, offentl. nach Maÿntz, mit Hinterlassung aller seiner Coffres, abgereisset, wohin Ihme 2. tage hernach seine Niece, nach zurückempfangenen Briefschaften, nachfolgen wollen. Den 21. Junÿ hätte der von Freÿtag der Wittib Denis u. Ihme, de Voltaire, melden lassen, dass Ihre Arrestirung täglich 128. F. x koste. Die zurückgeforderte von Freÿtagische 2. Billets hätte Er restituirt, u. das petitum gehet endlich dahin, Ihm u. seiner Niece zu erlauben, dass Sie wieder im guldenen Löwen, wegen des dortigen zu ihrer Gesundheit nötigen Gartens, einkehren dörften, die 2. Königle Räthe zu besänftigen u. Ew. Königl Maÿ von seinem Unglück alleruntertänigst zu benachrichtigen.
In zweÿ andern Schreiben de 27. et 29. passat. welche sub lit. B. et C. auch copeilich angeschlossen sind, wird dieses Ansuchen mit dem Zusatz wiederholt, dass der Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag jetzo die Schuld des passirten auf den Hofrath Schmid werfe, auch den 21. Junÿ ein Königl. Schreiben empfangen habe, Ihn, de Voltaire, nicht zu molestiren, mithin nötig seÿe, die Untersuchung der Sache, einem Commissario aufzutragen.
Obwolen nun unser älterer BurgerMeister am 28. Junÿ durch seinen Actuarium dem Kriegs- und Domainen-Rath von Freÿtag vermelden lassen: Der Herr Kriegs-Rath hätte am 20. ejusd. die Versprechung getahn, dass die Königl. requisitoriales tags darauf nachfolgen solten, wordurch auch Er, der BurgerMeister, bewogen worden, so gleich an hand zu gehen; es wären aber solche requisitoriales noch nicht vorhanden, mithin man informirt seÿn mögte, woran sich die Sache accrochire? so ist doch keine andere Resolution erfolget, als diese Er v. Freÿtag habe zwar versprochen, dass eine Königle Resolution erfolgen solle, aber keine Zeit benahmt, sondern es stehe in dem pro memoria vom 20. Junÿ: welche VIELLEICHT Morgen eintreffen WERDEN.
Nun habe Er zwar seither Königl. Ordres erhalten. Da aber der de Voltaire durch das wider seine parole vorgenomene Verreissen u. Entweichen die Umstände der Sache alteriret u. Ew. Königl. Maÿ. Er, Kriegs-Rath, das weitere berichten müssen, so seÿen sotahne Ordres so beschaffen, dass Er keinen Gebrauch davon machen können, sondern erst nähere Verhaltungs-Befehle von Ew. Königl. Maÿ. abwarten müsse.
Ob wir auch gleich denen beeden Königln Räthen das sehnliche Bitten des von Voltaire, bis auf einlangende Königliche ordre, gegen eidliche Angelobung, dass Er in so lange nicht aus hiesiger Stadt weichen wolle, des bisherigen engen Haus-Arrestes, zu besserer Pflegung seiner Gesundheit, entlassen zu werden, noch vorgestern bekand gemacht und uns deren Meinung hierüber ausgebeten; so haben wir doch ihre positive Erklärung u. deutlichen Consens hiezu nicht erhalten können, und deshalben für das sicherste ermessen, bis zu einlangender Königlr ordre nicht die geringste Veränderung vorzunehmen, gleichwol wider alle daraus entstehen mögende Verantwortung uns protestando verwahret, und sehen uns demnach gemüssiget, Ew. Königl Maÿ. solches alles ohne längern Verzug hiemit alleruntertänigst zu hinterbringen und noch so viel in aller tiefster Ehrfurcht beschwehrend anzufügen, dass oft ernamte 2. Königle Räthe uns verschiedene Eingriffe in hiesiger Jurisdiction getahn, wovon Wir auser deme, was bereits vom 1. Junÿ bis den 19. ejusd. zwischen Ihnen und dem von Voltaire hinter unserm Wissen passirt, nur das wenige in Eil anmercken, dass Sie die de Voltairische Niece und den Secretaire, ohne vorgängige Requisition und ohne Burgermeisterliche Einwilligung, mit Gewalt aus dem Gasthaus zum guldenen Löwen in ein anderes, zum Bockshorn genant, führen, selbige allda scharf bewachen u. 4. tage über länger, als Sie selbst nachmals vorgeschlagen und gegen ausdrückliche, Ihnen wolbewuste ordre des ältern BurgerMeisters, im Arrest sitzen, dem von Voltaire, auf gleiche Weis, die Säcke visitiren, 80. Louis d'or und ein Kistgen mit pretiosis eigenmächtig wegnehmen, und Ihme noch dazu von täglich aufgehen sollenden starcken Arrest-Kosten die eigenwillige Verkündigung tuhn, auch noch 2. Paquets von ihren eigenen Scripturen bisdato vorenthalten lassen. Es gelanget aber zugleich an Ew. Königl. Maÿ. unser alleruntertänigstes Bitten, uns nicht allein, wie es mit dem noch arrestirten von Voltaire ferner zu halten seÿe, uns allergnädigst förderlich wissen zu lassen, sondern auch nach dero angestamten Grosmuth und preiswürdigsten allerhöchsten Aequanimität, womit allerhöchst dieselbe auch geringe Reichs-Stände bei ihren Gerechtsamen gerne allerhuldreichst protegiren helfen, die von beeden Königln Räthen sich hier angemaste Jurisdictions-Eingriffe, allergdst gut findender masen zu andern und dieselbe allergerechtest anzuweisen, dass Sie ins künftige dergleichen empfangende Königl. Befehle mit mehrer Behutsamkeit und mit jedesmaligem Vorwissen unserer Burgermeister zu vollziehen suchen sollen. Womit übrigens Ew. Königl. Maÿ. Wir dem starcken Macht-schutz Gottes, zu fernerem Königl. langwierigesten allerhöchsten Wolergehen, fleissigst, zu dero allerteuersten Königl. Gnadenhulden aber uns u. unser gemeines Stadtwesen allergehorsamst angelegentlichst empfehlen und mit allersinnlicher Submission ohnausgesetzt verharren.
Ew. Königl. Maÿ.
alleruntertänigste.