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Type de textesource
TitreGeschichte der Kunst der Altertums
AuteursWinckelmann, Johann Joachim
Date de rédaction
Date de publication originale1764
Titre traduitHistoire de l\'art chez les Anciens
Auteurs de la traductionSellius, Gottfried
Date de traduction1766
Date d'édition moderne ou de réédition
Editeur moderne
Date de reprint

, p. 155

Die Natur aber und das Gebäude der schönsten Körper ist selten ohne Mängel und hat Formen, oder Teile, die sich in andern Körpern vollkommener finden, oder denken lassen, und dieser Erfahrung gemäß verfuhren diese weisen Künstler wie ein geschickter Gärtner, welcher verschiedene Absenker von edlen Arten auf einen Stamm propfet ; und wie eine Biene aus vielen Blumen sammelt, so blieben die Begriffe der Schönheit nicht auf das individuelle einzelne Schöne eingeschränkt, wie es zuweilen die Begriffe der alten und neuern Dichter und der mehrsten heutigen Künstler sind, sondern sie suchten das Schöne aux vieilen schönen Körper zu vereinigen. Sie reinigten ihre Bilder von aller persönlichen Neigung, welche unsern Geist von dem wahren Schönen abzieht. So sind die Augenbrauen der Liebsten des Anakreons, welche unmerklich voneinander geteilt sein sollten, eine eingebildete Schönheit persönlicher Neigung, so wie diejenige, welche Daphnis beim Theocritus liebte, mit zusammenlaufenden Augenbrauen. Ein späterer grieschicher Dichter hat in dem Urteile des Paris diese Form der Augenbrauen, welche er der schönsten unter den drei Göttinnen gibt, vermutlich aus angeführten Stellen gezogen. Die Begriffe unserer Bildhauer, und zwar derjenigen, die das Alte nachzuahmen vorgeben, sind im Schönen einzeln und eigeschränkt, wenn sie zum Muster einer großen Schönheit den Kopf des Antinous wählen, welcher die Augenbrauen gesekt hat, die ihm etwas Herbes und Melancholisches geben.

Es fällte Bernini ein sehr ungegründetes Urteil, wenn er die Wahl der schönsten Teile, welche Zeuxis an fünf Schönheiten zu Kroton machte, da er eine Juno daselbst zu malen hatte, für ungereimt und für erdichtet ansah, weil er sich einbildete, ein bestimmtes Teil oder Glied reime sich zu keinem andern Körper, als dem es eigen ist. Andere haben keine als individuelle Schönheiten denken können, und ihr Lehrsatz ist : die alten Statuen sind schön, weil sie der schönen Natur ähnlich ist. Der vordere Satz ist wahr, aber nicht einzeln, sondern gesammelt (collective) ; der zweite Satz aber ist falsch : denn es ist schwer, ja fast unmöglich, ein Gewächs zu finden, wie der Vatikanische Apollo ist.

Dans :Zeuxis, Hélène et les cinq vierges de Crotone(Lien)